1934/35
Die Leistungskurve des OSV geht rapide bergab
Das Stadtamt für Leibesübungen, hervorgegangen aus dem früheren Ortsausschuß für Leibesübungen, einer im Jahre 1921 gegründeten privaten Organisation aller am sportlichen Leben der Stadt interessierten Kreise, ist jetzt zuständig für die Benutzung des Sportplatzes, des Jugend- und Sportheimes, für die Badeanstalt und die beiden städtischen Turnhallen sowie für die Durchführung der Turn- und Sportwoche und anderer sportlicher Veranstaltungen. Vorsitzender und Leiter ist Christian Ohrt, die Geschäfts- und Kassenführung liegt bei Heinrich Remshardt.
Unter der Leitung des Oberturnlehrers Ohrt hielt der OSV im Lokal von Wigger am 23. Juli seine Generalversammlung ab. Der Verein zählt 233 Mitglieder, darunter 37 der Damen- und 35 der Jugendabteilung. Die Fußballabteilung ist 60 Mann stark.
Mit Beginn der neuen Spielzeit sind die Lübecker Klubs der Bezirksliga Schleswig-Holstein zugeordnet worden. Der neuen Staffel gehören zehn Vereine an: Union Teutonia Kiel, Kilia Kiel, Eintracht Kiel, LBV Phönix, Lübecker SV, Oldesloer SV, Eutin 08, VfR von 1910 Neumünster, Olympia Neumünster, Post Lübeck.
Zum Saisonauftakt kämpfte und spielte der OSV am 2. September auf dem Exer bei prachtvollem Wetter Olympia Neumünster mit 6:2 nieder. „Es zeigte sich, daß die Neuerwerbung des Rechtsaußen Jochimsen für die Blau-Weißen unbedingt eine Verstärkung bedeutet.“
Eine Woche später konnte der OSV auch das Spiel gegen Eintracht Kiel gewinnen. Stäcker (2), Schweim und Jochimsen erzielten die Tore bei dem unerwarteten 4:3 in Kiel.
Am 16. September präsentierte sich der OSV bei Kilia Kiel in schlechter Verfassung. Nur in den letzten 20 Minuten zeige er, was er kann. Aber da war es bereits zu spät. Das Ehrentor zum 1:3 resultierte aus einem Elfmeter.
Auch das nächste Spiel geht verloren, überraschend hoch sogar. Mit 5:1 triumphiert der VfR Neumünster auf dem Exer.
Zu zwei wertvollen Punkten kam der OSV am 30. September beim 3:2 in Lübeck gegen den alten Rivalen LSV. „Etwas mehr Energie und mehr harmonisches Zusammenarbeiten, dann braucht der OSV für die Zukunft keine Sorge zu haben; denn Fußballspielen können alle elf Spieler, aber Erfolge treten nur dann ein, wenn die Elf an einem Strange zieht.“
Am 21. Oktober müssen die Oldesloer in Lübeck gegen den LBV Phönix antreten, der langsam zu alter Stärke zurückfindet und ungeschlagen die Spitzenstellung einnimmt. Als der Schlußpfiff ertönte, waren die Lübecker froh, das Spiel 3:1 gewonnen zu haben, denn der OSV zeigte sich in ansprechender Verfassung.
Im Jugend- und Sportheim wird am 25. Oktober die Ortsgruppe des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen gegründet. Ihr gehören an: Ortsgruppenführer Oberturnlehrer Ohrt, der zugleich als Vertreter der Partei und Behörde bestellt ist, Obersturmführer Page von der SA, Pfeiffer von der SS, Frau Kieling von der NS-Frauenschaft, Scharführer Dahl von der Hitlerjugend und Fräulein Block vom Bund deutscher Mädel.
Mit viel Glück und Geschick errang der OSV am 28. Oktober gegen Union Teutonia Kiel zwei wertvolle Punkte. Wolherr, überragender Spieler auf dem Platz, Schweim und Jochimsen sorgen für den 3:2-Vorsprung, der bis zum Schlußpfiff gehalten werden kann.
Auf dem Sportplatz Dornbreite war der Postsportverein Lübeck Anfang November beim 2:0 ein unangenehmer Kontrahent. Gut, daß der OSV schnell zwei Tore schaffte, danach bereiteten die Postsportler der Oldesloer Verteidigung so manche Schwierigkeit.
Der auf dem Exer angelegte neue Fußballplatz darf im Einverständnis mit dem Stadtamt für Leibesübungen zukünftig nur noch für Bezirksspiele genutzt werden. Trainings- und Übungsspiele sind auf dem alten Platz durchzuführen.
Im letzten Spiel der Herbstserie gelang ein weiterer Sieg gegen den Tabellenletzten Eutin 08. Stäcker - mit einem Bombenschuß, wie man ihn nicht alle Tage sieht - und Jochimsen erzielen die Tore zum 2:1-Erfolg.
„Am 17. November beging der OSV sein 32. Stiftungsfest in der „Harmonie“. Der Besuch war gut. Die Musik stellte die Kapelle Hopf, die sich ihrer Aufgabe tadellos erledigte. In seiner Begrüßungsansprache gab der Leiter des OSV in einem kurz umrissenen Rückblick auf die Geschichte des OSV seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß es diesem gelungen ist, der Forderung des Führers in allen Punkten gerecht zu werden, wobei er ganz besonders auf die Leistungen des Fußballsports im letzten und in diesem Jahre zu sprechen kam. Mit einem begeisternd aufgenommenen „Sieg Heil“ auf den Führer gelobten die Anwesenden die Weiterarbeit in diesem Sinne.“
800 Zuschauer sind am 6. Januar auf dem Bürgerpark Zeuge, wie der OSV dem Spitzenreiter LBV Phönix die erste Niederlage beibringt. „90 Sekunden vor Schluß noch einmal ein Angriff der Oldesloer, ein letztes Aufflackern und es wurde geschafft. Wolherr konnte den Ball trotz größter Bedrängnis über die Linie befördern.“ Diese Mannschaft lieferte ein Spiel, wie man es nicht alle Tage sieht: Purnhagen - Lüthje, Busch - Kock, Schweim, Krohn - Jochimsen, Grote, Wolherr, Stäcker, Paul Drews.
Ohne Purnhagen, für ihn hütete Willy Drews das Tor so gut er konnte, Jochimsen und Paul Drews stand der OSV am 13. Januar bei Union Teutonia Kiel vor einer unlösbaren Aufgabe. Auf schwer bespielbarem Schneeboden ging er mit 0:5 unter.
Die Leistungskurve des OSV geht rapide bergab. Kilia Kiel gewinnt am 27. Januar auf dem Exer mit 3:0. Den Oldesloern bleibt selbst das Ehrentor nicht vergönnt, sie „verknallen“ sogar einen Elfmeter.
Gegen den VfR Neumünster verliert der OSV am 3. Februar wie in der Herbstserie mit 1:5. „Die Stürmerreihe des Gegners gab den Ausschlag für den Sieg durch ihre weit produktivere Arbeit.“
In der Vorstands- und Führerringsitzung des OSV am 7. Februar berichtet der Fußballobmann, daß sich das Fehlen von Nachwuchsspielern für die Liga sehr bemerkbar macht. „Da jetzt eine Einigung mit der Hitlerjugend bezüglich der Zusammenarbeit der Sportvereine und der Hitlerjugend erzielt worden ist, wodurch auch der Beitrag der Jugendlichen ermäßigt werden konnte, so dürfte bald ein tüchtiger Nachwuchs herangebildet werden.“
Höhepunkt der Karnevalszeit war die am 9. Februar in der „Harmonie“ veranstaltete OSV-Maskerade. „Am Buffett standen dichte Reihen von Herren, die, ganz gleich, ob mit oder ohne Maske, einen egal großen, scheinbar unlöschlichen Durst hatten, den selbst unsere Autospritze nicht hätte stillen können. Alles war eitel Wonne, Heiterkeit und Lust.“
Tags darauf hatte der OSV keine Mühe, den Tabellenletzten Post Lübeck mit 4:0 zu bezwingen.
Und auch am 24. Februar zeigen die Oldesloer, daß sie sich immer noch auf das Toreschießen verstehen. Die als Kampfmannschaft bekannte Elf von Eintracht Kiel wird mit 5:3 bezwungen. Stäcker war viermal erfolgreich, den fünften Treffer steuerte Willy Drews bei.
Der OSV bleibt immer noch Anwärter auf den dritten Tabellenplatz: Purnhagen - Kock, Busch - Grote, Schweim, Krohn - Lüthje, Wolherr, Willy Drews, Stäcker, Schlicht.
Leider zeigte die Formkurve am 10. März beim 2:4 in Neumünster gegen Olympia schon wieder nach unten. Mit nur neun Mann, Kock und Wolherr schieden verletzt aus, konnte eine 2:0-Führung nicht gehalten werden.
Ein herzlich schwaches Spiel war ebenfalls die am 17. März auf dem Exer ausgetragene Begegnung mit dem Lübecker SV. Erst durch einen Foulelfmeter, Schlüter wurde im Strafraum umgelegt, kamen die Oldesloer zum 2:1-Sieg.
Im „Tivoli“ trafen sich die Mitglieder des OSV am 18. März zu einer außerordentlichen Versammlung. Die Einheitssatzungen fanden schnell Annahme durch die Anwesenden. Es wurden gewählt zum Vereinsführer Oberturnlehrer Ohrt. Dieser bestimmte dann seine Mitarbeiter und zwar zu seinem Stellvertreter Kaufmann Fokuhl, zu Kassenprüfern Schlüter und Lüthje, zum Schriftführer Hoppe und zum Kassenwart Pfeiffer. Für den erweiterten Ausschuß wurden bestimmt: für Fußball Hoppe, für Leichtathletik PöhIs, für Hockey Dimpker, für die Jugend Meins, für die Frauenabteilung Fräulein Ger-ken, für den Festausschuß Flindt, als Platzwart Kindt. Das Amt als Dietwart übernimmt der Vereinsführer. In den Ältestenrat werden bestimmt die Mitglieder Bölck sen., Drögemöller, Gast, Dührkop, Kröger und Ueltzen.“
Das letzte Bezirksspiel in Eutin konnte der OSV am 31. März mit 4:2 siegreich gestalten. Stäcker, Willy Drews, Schlüter und Oldorf spielten nach der Halbzeit mit den Eutinern „Katze und Maus“.
Für den OSV begannen die Spiele um den von Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten gestifteten Pokal, der Wettbewerb soll für alle Vereine der Fußballsparte des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen offen sein, am 7. April mit einem 4:0 gegen den Postsportverein Lübeck.
Im nächsten Spiel überraschten die Oldesloer den Bezirksmeister LBV Phönix. Am 28. April gab es auf dem Exer einen Kampf auf Biegen und Brechen. Zur Halbzeit lagen die Lübecker mit 2:0 vorne.
„Danach änderte sich das Bild. Jetzt setzte der 05V Druck auf, aber bis auf 20 Minuten vor Schluß der regulären Spielzeit konnte der Phönix das Resultat halten. Hier zeigte besonders der Torwächter der Lübecker, Wieg, was er konnte; der Mann bot schlechthin eine Leistung, die an das Unwahrscheinliche grenzte. Aber schließlich mußte er sich doch geschlagen bekennen. Stäcker und Schlüter konnten das Ergebnis gleich stellen.
Da eine Entscheidung fallen mußte, war eine Verlängerung notwendig. Das bessere Stehvermögen hatten die Hiesigen und nach gut zehn Minuten konnte Schweim das vielbejubelte Siegtor erzielen. Ein aufregender Kampf war zu Ende, den der OSV glücklich aber verdient 3:2 für sich entscheiden konnte.“
Im Pokalwettbewerb kommt am 19. Mai Holstein Kiel, 1912 Deutscher Meister und sechsmaliger Norddeutscher Meister, nach Bad Oldesloe. Wenn auch die Spielstärke der Kieler in den letzten Jahren zurückgegangen ist, es reicht immer noch, um mit den Spitzenmannschaften Norddeutschlands Schritt zu halten.
Der OSV konnte die schwere Aufgabe nicht lösen. Nach tapferer Gegenwehr mußte er sich mit 3:0 geschlagen geben.
Die Kieler hatten ihre stärkste Vertretung geschickt: Dr. Kramer - Günther, Mundt - Stössel, Ohm, Block - Starck, Ritter, Baasch, Schmidt, Esser. Es scheint sich bis Kiel herumgesprochen zu haben, daß der Exer ein heißes Pflaster ist. Der Oldesloer Landbote fragte seine Leser im Vorfeld des Pokalspiels nach dem Ergebnis. Die Beteiligung an der Preisfrage war außergewöhnlich groß. Das 3:0 hatte von allen Einsendern nicht ein einziger vorausgesagt. Den 1. Preis (sechs Freikarten für die nächsten Spiele des OSV) heimste Fritz Wetterström aus der Bahnhofstraße ein. Er hatte auf 3:1 für Kiel getippt.
Wolherr, Schweim und Stäcker kommen zum Ende der Spielzeit noch zu ehrenvollen Einsätzen. Sie werden in die Lübecker Auswahlmannschaft berufen, die am 13. Juni auf Hamburg trifft. Allerdings erleben sie einen üblen Reinfall, denn Lübeck verliert haushoch mit 1:8.