1932/33

 Wer sich ohne Grund ausschließt, gehört nicht zu uns

 

Gleich im ersten Punktspiel muß der OSV in Lübeck auf dem Kasernenhof gegen den Bezirksmeister Polizei antreten und beim 0:6 dessen große Überlegenheit anerkennen.

Torreich ging es auch am 11. September auf dem Bürgerpark zu. Der VfL Schwerin stellte sich als spiel- und kampfstarke Mannschaft vor und gewann mit 5:4 Toren. Schacht wurde wegen Nachschlagens des Feldes verwiesen, Kock folgte ihm nach einer Unterhaltung mit dem Schiedsrichter.

Eine Woche später kommt der OSV auf dem Karlshof in Lübeck durch Tore von Fick und Drews zu einem 2:1 über den Lübecker SV. Ist damit die Abstiegsgefahr schon frühzeitig gebannt?

Der LBV Phönix hat von seiner einstigen Spielkunst einiges eingebüßt. Mußte er im letzten Jahr der Polizei im Kampf um den Titel bereits den Vortritt lassen, scheint er noch schwächer geworden zu sein. Kämpferisch aber waren die Lübecker, bei denen Torwart Pentzien überragte, auf der Höhe, als sie sich am 25. September auf dem Exer vom OSV 1:1 trennten.

Auch im nächsten Heimspiel gegen Germania Wismar überzeugten die die Oldesloer nicht. „Das Abspiel der Hintermannschaft war unter aller Kritik. Mit einfach in die Gegend getretenen Bällen kann kein Sturm etwas anfangen.“ Die Gäste setzten sich überraschend mit 3:1 durch. Schacht wurde wegen unfairen Spiels des Feldes verwiesen und ein Teil des Publikums pöbelte wieder einmal kräftig gegen den Schiedsrichter. Ein Rückfall in längst schon überwunden geglaubte Zeiten?

Walter Risse, achtfacher Nationalspieler und überragender Verteidiger beim Hamburger SV, hat das Training des OSV übernommen.

Er feiert am 16. Oktober mit einem 3:1-Sieg gegen Rostock 95 einen gelungenen Einstand. Wolherr, Paul Drews und Lüthje bringen die Oldesloer bereits bis zur Pause mit 3:0 in Führung.

Nichts zu holen gab es dagegen am Sonntag darauf in Schwerin gegen 03. „Fünf Minuten vor Schluß steht das Spiel noch 2:1 für den OSV! Für das, was nun geschah, findet man keine Worte. Die Schweriner holzen jetzt derart, daß innerhalb weniger Minuten drei unserer Spieler vom Platz getragen werden müssen. Zwei weitere Spieler hinken verletzt im Feld umher. Schwerin gleicht aus und geht bald darauf in Führung. Durch einen Elfmeter kommen die Schweriner zu einer dem Spielverlauf nach nicht gerechten 4:2-Führung.“ Diese Mannschaft erlebte das Debakel: Knuth - Dwenger, Schlüter - Kock, Grote, Lüthje - Lindemeier, Wolherr, Willy Drews, Fick, Paul Drews.

Am 29. Oktober blickt der OSV in der „Harmonie“ auf sein 30jähriges Bestehen zurück. Der Verein entwickelt sich prächtig. 14 Mannschaften (4 Herren- und 5 Jugendmannschaften für Fußball, eine Handballmannschaft und vier Hockeymannschaften) vereinigen zur Zeit 154 Aktive um sich, wozu noch stattliche Riegen von Leichtathleten kommen.

Beim OSV wird jetzt härter durchgegriffen. Wer unentschuldigt dem Training fernbleibt, muß damit rechnen, daß er bei der Aufstellung nicht berücksichtigt wird. In einem Übungsspiel verliert die Liga am 6. November gegen die eigene Reserve mit sage und schreibe 3:11. Sie zeigten es der „Ersten“: Grantz - Flindt, Hansen - Blunck, Knickrehm, Grote - Peemöller, Kindt, Stäcker, Sommerfeld, Schacht.

Das Training bringt noch keinen Erfolg. Im ersten Spiel der Frühjahrsserie verliert der 05V am 13. November auf dem Exer gegen den Lübecker SV mit 3:4. Er bleibt hinter Germania Wismar auf dem zweitletzten Tabellenplatz.

14 Tage später beziehen die 01-desloer in Schwerin die nächste Niederlage. Diesmal siegt der VfL, der schon im Hinspiel mit 5:4 erfolgreich war, mit 7:2. So langsam schleicht sich wieder die Abstiegsangst ein. Irgendwann müssen Punkte her!

Herbstmeister Schwerin 03 muß am 8. Januar auf dem Exer hart kämpfen, um zu einem knappen 1:0-Sieg zu kommen. Grantz zeigt sich in großer Form, er hält sogar einen Elfmeter. Schacht, Kindt, Kock und Lüthje liefern ein ganz großes Abwehrspiel. Vom Sturm allerdings ist nichts zu sehen, er kann sich gegen die Schweriner Abwehr nicht durchsetzen.

Bei eisiger Kälte hatte der 0SV am 15. Januar endlich wieder einmal die Nase vorn und zwei Punkte sicher. Er gewann bei Rostock 95 hochverdient mit 5:2 Toren. Eine Niederlage hätte die Oldesloer auf den letzten Platz gebracht, so können sie sich auf den drittletzten Rang vorarbeiten. Um endgültig in Sicherheit zu sein, braucht der OSV aus den ausstehenden drei Spielen noch zwei Punkte. Diese Elf scheint nun doch auf dem Weg zum Klassenerhalt zu sein: Grantz - Schacht, Kindt - Kock, Grote, Lüthje - Stäcker, Willy Drews, Schlüter, Fick, Paul Drews.

Ohne fremde Hilfe kann der LBV Phönix den Meistertitel und auch den zweiten Tabellenplatz nicht mehr erringen. Er ist am 22. Januar aber immer noch stark genug, um die Oldesloer mit 4:1 zu distanzieren.

Am ersten Sonntag im Februar veranstaltete der 05V in der „Harmonie“ seine beliebte Maskerade. Fast 170 Masken begaben sich unter Vorantritt des Prinzen Karneval bei schmetternden Musikklängen in festlichem Aufzuge in den prächtig geschmückten Festsaal und waren von Anfang bis Ende in fröhlicher Stimmung.

Unerwartet schnell klärt sich die Frage des Abstiegs in der Oberliga. Während der OSV am 12. Februar bei Germania Wismar ein 1:1 schafft, steht Rostock 95 nach dem 1:8 gegen die Lübecker Polizei als erster Absteiger fest.

Im Mittelpunkt der Generalversammlung des OSV am 13. Februar im „Deutschen Haus“ stand die Besetzung der Vorstandsposten: 1. Vorsitzender Oberturnlehrer Ohrt, 2. Vorsitzender Fokuhl, 1. Schriftführer Flindt, 2. Schriftührer Hoppe, 1. Kassierer Fokuhl, 2. Kassierer Wiggers, Beisitzer Dührkop, Uelt-zen, Bohnsack. Fußballausschuß: Obmann Hoppe, Schriftführer und Pressewart Möller, Beisitzer Kröger, Dührkop, Bohnsack. Leichtathletik und Sommerspiele: Pochat, Rott-gardt. Jugend: Höhn, Prien. Damenabteilung: Fräulein Gerken. Hockey: Pfeiffer. Schiedsrichterdezernent: Flindt.
An Bezirks- und Gesellschaftsspielen wurden 122 Fußball-, 13 Handball-, 48 Faustball- und 14 Hockeyspiele ausgetragen.

Zum Spiel gegen die Polizei Lübeck am 26. Februar ist der Exer vom Schnee gesäubert, aber spiegelglatt und eigentlich nicht zum Fußballspielen geeignet. Die OSVer haben die 0:6-Niederlage der Vorrunde noch nicht vergessen und kämpfen verbissen. Das Spiel, das trotz der Kälte viele Zuschauer angelockt hat, endet 1:1. Paul Drews gleicht die Lübecker Führung in der 75. Minute mit einem Handelfmeter aus. In der ersten Halbzeit schoß er einen Elfmeter so schwach, daß der Lübecker Torwart halten konnte.
Der Punktgewinn war für beide Mannschaften wichtig. Die Polizei erreichte den zweiten Platz in der Tabelle und die Teilnahme an der Norddeutschen Meisterschaft; der OSV hat sich mit neun Punkten vor Wismar gesetzt.

Der OSV bietet seinen Anhängern zum Saisonabschluß trotz der bekannten finanziellen Probleme hochinteressanten Fußballsport. Am ersten Ostertag liefern die Oldesloer gegen St. Pauli Sport, immerhin Tabellenerster der Hamburger Elbe-Staffel, ein großes Spiel und gewinnen einwandfrei mit 5:1 durch drei Stäcker- und zwei Witt-Tore.

„Nach den Anfang Mai bekanntgemachten neuen Richtlinien der Deutschen Turnerschaft ist von sofort ab in allen Turnvereinen das Pflichtturnjahr einzuführen. Dieses umfaßt: Turnbetrieb, Ausspracheabende, Wanderungen oder Märsche und Wehrturnen. Letzteres heißt Wandern und Geländedienst, Spähen und Schleichen, Kartenlesen, Melde- und Nachrichtendienst, Ringen und Boxen, Fechten, Schießen usw. Diese Vorbereitungen sind die Ausbildungen in dem Wehrsport, wie sie in unserer Deutschen Turnerschaft mit dem Reichskuratorium für Jugendpflege jetzt durchgeführt und mit bestimmten Prüfungen abgeschlossen werden sollen. Die Teilnahme hieran ist jedem deutschen Turner vaterländische Pflicht. Wer von den Turnern sich ohne Grund ausschließt, gehört nicht zu uns.“

Der Vereine werden gleichgeschaltet, das bedeutet die Übernahme in die Organisation der NSDAP. Die Vereinsversammlung wählt den Vereinsvorsitzenden bzw. Vereinsführer, der der Bestätigung des Gaues bedarf. Der Vorstand wird in Zukunft nicht mehr gewählt, sondern bestimmt. „Die berufenen Führer tragen die vollständige Verantwortung für die von ihnen berufenen Turner dafür, daß sie sich im neuen nationalen Einheitswillen freudig und aus innerem Drange einzuordnen vermögen.“

Der Deutsche Reichsausschuß für Leibesübungen (DRA), die Dachorganisation der bürgerlichen Turn- und Sportverbände wird am 10. Mai 1933 aufgelöst. Die Arbeiter-Turn- und Sportverbände werden verboten, die konfessionellen Verbände auf rein religiöse Aufgaben beschränkt.

Auf der Nordseite des Exers richtet sich der OSV einen neuen Fußballplatz ein. Die Grenzen des Spielfeldes sind durch dauerhafte Sandstreifen gekennzeichnet worden. Nach Fertigstellung des Spielfeldes werden die Spiele auf der Ostseite abgehalten. Damit sind die nicht ganz unberechtigten Beschwerden über die Benutzung der bisherigen Spielseite durch Volksfeste und sonstige Veranstaltungen, die den Spielplatz naturgemäß zerstörten, ausgeräumt.

Der OSV hatte seine Mitglieder am 10. Juni zu einer wichtigen Versammlung in das „Central-Cafe“ einberufen. In seiner Ansprache führte der Vorsitzende Ohrt aus: „Der OSV hat durch seine außerordentlich rege Teilnahme an der nationalen Demonstration am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, bewiesen, daß er sich restlos hinter die heutige Regierung stelle und wie bisher bereit ist, mitzuwirken an einer körperlichen, geistigen und sittlichen Ertüchtigung der deutschen Jugend und des deutschen Mannes.
Mit besonderer Freude stellte er den besonders ausgeprägten Sportgeist der aktiven OSVer fest, indem er auf die Frage der Herrichtung eines spielfähigen und gepflegten Spielplatzes zu sprechen kam. Durch die große Opferbereitschaft mehrerer passiver Mitglieder und durch den freiwilligen Zusammenschluß mehrerer aktiver OSVer ist es diesen nunmehr gelungen, den Platz zu ebnen, abzutragen und die freien Erdflächen vor den Toren mit Grassamen zu besäen, um so einen einwandfreien Spielplatz geschaffen zu haben, der den notwendigen Anforderungen des Sportes entspricht.
Der Obmann der Fußballabteilung gab einen kurzen Bericht ab. „Die Oberliga steht unter dem „eisernen Training“ des bekannten Internationalen Risse, welcher eifrig bemüht ist, aus der Liga eine anerkannte und spielstarke Mannschaft zu machen. Dieses ist aber nur dann möglich, wenn alle Spieler der Oberliga vollzählig und regelmäßig an diesem Training teilnehmen.“

Die Fußballsaison wurde mit einem großen sportlichen Ereignis abgeschlossen. Am 28. Juni stellte sich der Hamburger SV, ehemaliger Deutscher Meister und zehn Jahre Norddeutscher Meister, auf dem Bürgerpark vor. Schon die Namen Wilhelm Blunk, Walter Risse, Asbjoern Halvorsen, Rudolf Noack und Karl Politz versprachen etwas ganz Besonderes. Und wie die Hamburger spielten und zauberten! Der HSV gewann mit 6:1 (Tore durch Noack 3, Politz 2 und Gröber), für den OSV schoß Fick das Ehrentor. Die Hamburger waren in der zur Zeit stärksten Aufstellung angekündigt: Blunk - Danek, Risse - Roth, Halvorsen, Ehlert - Ploog, Gröber, Noack, Henneberg, Politz. Bestechend war die Ball- und Körperbeherrschung von Mittelstürmer Noack. Der OSV hat sich eine Menge abgucken können: Grantz - Lüthje, Kindt - Lindemeier, Schwelm, Grote - Ströh, Stäcker, Wolherr, Fick, Paul Drews - Ersatz: Purnhagen, Schlüter, Kock, Hansen.

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