1929/30
Hoffentlich erleben wir hier so etwas nicht wieder
Zum Beginn der neuen Spielzeit wird weiter der Kontakt zu befreundeten Vereinen gepflegt. Man besucht sich gegenseitig. Von den Ergebnissen her gibt es keine Überraschungen. Das 2:2-Unentschieden am 21. Juli gegen den Wandsbeker FC hatte aber noch ein kleines Nachspiel.
Am Abend fiel auf der Hamburgertorbrücke einem stark angetrunkenen Fußballspieler aus Wandsbek der Hut in die Trave. Kurz entschlossen sprang er über das Geländer ins Wasser, um den Hut zu retten. Natürlich versank er sofort in dem tiefen Schlamm, und da er stark betrunken war, drohte er zu ertrinken. Dies bemerkten die Herren Bern und Kruse und retteten den Betrunkenen. Dieser in dem Glauben, Bern habe ihn ins Wasser gestoßen, fiel diesen an und schlug ihn ins Gesicht. Mit Hilfe anderer gelang es, den Rasenden zu bändigen und dem Polizeigewahrsam zur Ernüchterung zuzuführen.“
Nachdem die Vereine sich eineinhalb Jahre mit Freundschaftsspielen begnügen mußten, beginnen am 25. August die Punktspiele der Oberliga Lübeck-Mecklenburg.
Der knappe 2:1-Sieg des Altmeisters LBV Phönix in Bad Oldesloe war nicht sonderlich überzeugend. Die Lübecker, mit Gellert, Ruppelt, Gareis und Schaar, zeigten zwar die erwartete technische Überlegenheit, konnten sich bei der hervorragenden Oldesloer Deckung kaum durchsetzen.
Lindemeier brachte den OSV in Führung, Haack stellte kurz vor der Pause im Anschluß an einen Strafstoß den Ausgleich her. Schmidt erzielte nach einem famosen Alleingang den siegbringenden Treffer für die Lübecker.
Der OSV gab nicht nur zwei Punkte ab, er verlor auch zwei Spieler durch Verletzung: Schlüter brach sich das rechte Handgelenk, Höppner erlitt einen doppelten Schlüsselbeinbruch.
Am 29. September, der OSV hatte in den ersten drei Spielen zweimal knapp verloren und ein Unentschieden erzielt, gelang es der Mannschaft endlich, zwei wertvolle Punkte unter Dach und Fach zu bringen. Das 2:1 gegen den VfR Lübeck erkämpfte der OSV in bekannter Aufstellung: Knuth - Schacht, Kindt - Lüthje, Pochat, Knickrehm - Bohnsack, Grote, Drews, Ohlrogge, Lindemeier.
In der Monatsversammlung des Männerturnvereins am 2. Oktober wurde ein Schreiben der Deutschen Turnerschaft bezüglich der Vereinigung für Leibesübungen Oldesloe verlesen, wonach es dem MTV verboten wird, mit Vereinen, die nicht der Deutschen Turnerschaft angehören, sportlich und gesellschaftlich zusammenarbeiten. Damit ist der angestrebte Zusammenschluß der Oldesloer Vereine vom Tisch.
Nach der überraschenden 0:3-Niederlage in Wismar zog sich der OSV am 13. Oktober auf dem Exer gegen Schwerin 03 mit einem torlosen Unentschieden achtbar aus der Affäre. Dramatisch wurde das Spiel in den letzten zehn Minuten, als beide Mannschaften zum Endspurt ansetzten. Latte, Pfosten und Torhüter retteten jedoch auf beiden Seiten.
Ende Oktober spielte die erste Jugendmannschaft gegen den LBV Phönix. So lautete die Aufstellung: Berkefeldt - Brügmann, Wyhr - Eggert, Page, Riek - Jensen, Richter, Wolherr, Drews, Koch.
Am 2. November beging der OSV sein Stiftungsfest verbunden mit einem großen Ball im „Hotel zur Krone“.
Sensationelles passierte am 24. November. Auf dem Flugplatz in Lübeck kanterte der LBV Phönix den OSV mit 14:0 nieder. Die Lübecker waren haushoch überlegen und gewannen völlig verdient. Der OSV wurde allerdings durch die Hinausstellung von Schacht (der es sich wieder einmal nicht verkneifen konnte, gegen die Anordnungen des Schiedsrichters Einspruch zu erheben) gehandicapt.
„Die Lübecker beherrschten das Feld jederzeit und lieferten im Angriff wieder ein famoses Spiel. Nachdem der Phönix durch Ahrens, Schaar und ein Eigentor mit 3:0 in Führung gelegen hatte, begann das Schützenfest. Die Lübecker erzielten in regelmäßigen Abständen elf weitere Tore und stellten einen neuen Torrekord auf. Beim Stande von 8:0 schied Kindt verletzt aus. Bald darauf mußte noch ein weiterer Oldesloer Spieler das Feld auf Geheiß des Unparteiischen verlassen.“
Die Schmach mußten ertragen: Knuth - Schacht, Kindt - Knickrehm, Fahrenkrug, Lüthje - Ohlrogge, Witt, Grote, Fick, Lindemeier.
An dieser Niederlage hatte der OSV lange Zeit zu knabbern. Zwei Spieler beschäftigten sogar noch die Verbandsorgane. Erst nach mündlicher Verhandlung in Schwerin stand fest: „Schacht wird für vier Wochen, Witt für ein Viertel Jahr kaltgestellt.“
Von dem Ergebnis seiner Beschwerde wollte der OSV sogar die Durchführung des nächsten Spiels gegen den VfL Schwerin abhängig machen. Nach langer Debatte stimmte der Vorstand am 6. Dezember schließlich für die Austragung der Begegnung.
Wiedergutmachung sollte es für das katastrophale Abschneiden beim LBV Phönix am 8. Dezember gegen den VfL Schwerin geben. Es gelang nicht. Der OSV schaffte die 1:0-Führung; der Ausgleich der Schweriner ließ aber nicht lange auf sich warten.
„Schon bald nach der Halbzeit kamen die Gäste durch ein Mißverständnis der OSV-Verteidigung zum Führungstor. Dieses rüttelte die Blau-Weißen auf und viele glaubten, daß der Ausgleich jeden Augenblick fallen mußte. Da geschah etwas, was das ganze Spiel zur Farce machte. Der Schiedsrichter, der schon vorher manches übersehen hatte, gab ein glattes Abseitstor für Schwerin. Also 3:1. Die Erregung unter den OSV-Spielern und dem Publikum steigerte sich und so kam es, daß die Oldesloer durch Hinausstellen (auf seiten der Oldesloer wurden vier Spieler des Feldes verwiesen, von den Schwerinern Dähling) deprimiert wurden; hierdurch war es den Mecklenburgern leicht gemacht, das Ergebnis auf 4:1 zu erhöhen. Das Publikum quittierte die falsche Entscheidung des Schiedsrichters mit Entrüstungsrufen und einen Augenblick schien es, als ob es zu ernstlichen Zwischenfällen kommen werde. Schließlich beruhigten sich aber wieder die Gemüter. Auf alle Fälle aber war dies ein häßlicher Abschluß; hoffentlich erleben wir hier so etwas nicht wieder.“
Das es auch anders geht, bewies der OSV am letzten Sonntag im Dezember gegen Rostock 95. Inzwischen auf den vorletzten Tabellenplatz abgerutscht, konnte die Mannschaft wieder, wenn auch nur knapp 1:0, siegen. Dabei war Knuth im Tor ihr großer Rückhalt und Schacht kurz vor Schluß der umjubelte Torschütze.
„Oldesloe hat seinen Ruf als Sportstadt im Jahre 1929 mehren können. Da ist vor allen Dingen der Zusammenschluß der Sportvereine MTV von 1862, OSV und FC Bölck zu einer festen Arbeitsgemeinschaft zu erwähnen, der unter der Devise „Einigkeit macht stark“ schon recht Segensreiches für die Sportbewegung hat leisten können. Dann muß der Ausbau des alten Stadtkrankenhauses zum Sporthaus und einer Jugendherberge ganz besonders hervorgehoben werden. Damit ist durch das überaus große Entgegenkommen der Stadtverwaltung dem ausübenden Sport jeder Art ein Heim geschaffen worden, das im Verein mit dem daneben liegenden ideal schönen Sportplatz in der ganzen Provinz wohl kaum in solcher Vollkommenheit angetroffen wird.“
Am 26. Januar kommt es auf dem Exer zu dem bedeutungsvollen Treffen mit Germania Wismar. Der OSV muß gewinnen, wenn er die Ausscheidungsspiele um den Verbleib in der Oberliga vermeiden will.
„Der Uhrzeiger zeigte schon bald das Ende des Kampfes an und in Gedanken rechnete wohl jeder damit, nur einen Punkt für den OSV buchen zu können, als zwei Minuten vor Schluß Schacht den Ball bekam, die Läufer geschickt umspielte und dann auch noch den einen Verteidiger; jetzt hatte er nur noch den Torwächter vor sich - ein Schuß - und unter dem freudigen Beifall der Zuschauer schoß er den Ball, für den Torwächter unhaltbar, ins Netz!“
Durch diesen Sieg ist die Abstiegsgefahr noch nicht endgültig gebannt. Der OSV liegt in der Tabelle mit acht Punkten vor dem Lübecker SV, der sieben Punkte auf seinem Konto hat.
Den direkten Vergleich mit dem Lübecker SV verlieren die Oldesloer am 2. Februar in Lübeck sang-und klanglos mit 0:3. Jetzt hängt alles von den letzten Spielen gegen den VfR Lübeck und Rostock 95 ab. Werden beide Spiele gewonnen, dann bleiben dem OSV die Ausscheidungsspiele erspart.
Das erste entscheidende Spiel findet am 16. Februar in Lübeck gegen den VfR statt. Die Oldesloer zeigen großen Siegeswillen und kämpfen mit seltener Hingabe. Obwohl Bohnsack schon früh ausscheidet, gelingt Lindemeier mit einem raffinierten Kopfball das Führungstor. Drews erhöht noch vor der Pause auf 2:0. In der zweiten Halbzeit ist Rasensport überlegen, jedoch schaffen die Gastgeber nur den Anschlußtreffer zum 1:2. Es deutet alles darauf hin, daß der OSV die Klasse halten kann.
Im letzten Punktspiel trifft der OSV am 23. Februar in Bad Oldesloe auf Rostock 95, den schon lange Zeit weit abgeschlagenen Tabellenletzten. Er schafft einen glanzlosen 2:1-Erfolg. Diese Mannschaft sichert den Verbleib in der Oberliga: Knuth - Schacht, Kindt - Pochat, Grote, Knickrehm - Lüthje, Lindemeier, Rieckhoff, Drews II, Peemöller.
Gut besucht war die Generalversammlung des OSV am 24. Februar im „Deutschen Haus“. Aus dem Bericht des Kassierers konnte man entnehmen, daß die Kassenverhältnisse des Vereins gegenüber dem letzten Jahr besser geworden sind.
„Der Bericht über die Jugendabteilung ließ auch nur Erfreuliches für die Zukunft erhoffen; es wurde jedoch der Erwartung Ausdruck gegeben, daß sich die Mitglieder als Reisebegleiter, Aufsicht beim Training der Jugend zur Verfügung stellen.
Der 1. Vorsitzende Ohrt verlas die neuen Satzungen und gab die notwendigen Erläuterungen dazu. Nach kurzer Debatte wurden dieselben von der Versammlung angenommen.“
Zweimal hatten die städtischen Kollegien den Umbau des alten Krankenhausgebäudes zu einem Sporthaus abgelehnt. Heftige Meinungsverschiedenheiten waren darüber entbrannt, ob das freigewordene Gebäude als Altersheim, zum Wohnen oder dem Sport dienen solle.
In Anwesenheit von Bürgermeister Dr. Gerhard Hayn, den Schulleitern und Vertretern der Sportvereine ist das Jugendheim im Bürgerpark am 4. Mai feierlich eingeweiht worden. Die Sportler freuen sich über zwei Wasch-, mehrere Umkleide- und Aufenthaltsräume.
Mit der Reservemannschaft geht es langsam bergauf. Anfang des Jahres mußte sich der Fußballausschuß noch mit ihrer Abmeldung befassen, weil sie zu drei Spielen nicht angetreten war. Gesellschaftsspiele gegen FC Hertha Neumünster (1:0), VfR Lübeck (1:4) und Lokstedter FC Reserve (3:2) gestaltete sie erfolgreich. Am 8. Juni erkämpft die Reserve gegen Adler Hamburg einen überzeugenden 6:2-Sieg. Diese Mannschaft war aufgestellt: Grantz - Busch, Knickrehm - Hüttscher, Drews 1, Wehl - Reher, Blunck, Ohlrogge, Rapp, Flindt - Ersatz: Huth.