1931/32 

Es wird höchste Zeit, mit dem Punktesammeln zu beginnen

Nach dem großen Erfolg des vergangenen Jahres hat der Ortsauss-chuß für Leibesübungen ein umfangreiches Programm für die 2. Oldesloer Turn- und Sportwoche zusammengestellt. Vom 9. bis 16. August finden Wettkämpfe im Schach, Kegeln, Tennis, Kleinkali-berschießen und Brieftaubenflug sowie die Schwimmfeste der Schulen, die Reichsjugendwett-kämpfe und die Stadtmeisterschaften im Faustball statt.

Mit dem Omnibus von Kneese & Neve macht sich der OSV am 23. August auf die Reise nach Wismar zum ersten Punktspiel gegen die unbequeme Germania. Erneut geht der Auftakt mit 2:3 daneben.
„Die Aufstellung (Knuth - Dwenger, Kindt - Kock, Grote, Lüthje - Linde-meier, Schacht, Wolherr, Schlüter, Peemöller) scheint nicht die richtige zu sein. Schacht bewies beispielsweise ein weiteres Mal, daß er eben gar kein Stürmer ist, ebenso gehört Wolherr nur nach Rechtsaußen. Schlüter ist nicht mehr der gefürchtete Brecher. Er hält sich viel zu weit hinten auf und ist dann im gegebenen Moment nicht zur Stelle. Peemöller war noch nicht wieder der alte. Kock und Lüthje leisteten brauchbare Arbeit, während Grote zeitweise im Mittelfeld schwamm. Die Verteidigung war ganz gut, war aber an dem ersten und letzten Tor nicht ganz schuldlos. Kindt läßt sich oft überlaufen und kommt dann nicht zurück. Dwenger war schon sicherer als im vorigen Spiel. Knuth ist immer noch unbeständig.“

Eine Woche später trotzen die Oldesloer dem Meister und großen Favoriten LBV Phönix mit umgestellter Elf (Grantz - Schacht, Kindt - Kock, Grote, Lüthje - Wolherr, Lindemeier, Blunck, Schlüter, Peemöller) nach einem 1:3-Rückstand ein unerwartetes 3:3 ab Bester Mann beim OSV war Torwächter Grantz, der in verblüffend sicherer Manier die schwierigsten Bälle hielt. Die Tore schossen Schlüter, Peemöller und Lindemeier.

Durch Magistratsbeschluß ist der OSV inzwischen berechtigt, auf der ganzen Rasenfläche des Exers zu kassieren und denjenigen, der die Zahlung verweigert, vom Platz zu verweisen.

So vielversprechend der Punktgewinn in Lübeck auch war, so harmlos und unentschlossen präsentierte sich der OSV in seinem ersten Heimspiel gegen den VfL Schwerin, das mit einem torlosen Unentschieden endete.
Wichtiger war wohl, daß die Firma Gebrüder Hoffmann den Besuchern des Bürgerparks mit einer Großlautsprecheranlage Unterhaltungsmusik von Schallplatten übertrug.

Am Abend des 9. September durcheilte die Stadt die Kunde, daß der bekannte Gastwirt Heinrich Peemöller, Restaurant zur Mühle, im Alter von nur 58 Jahren plötzlich verstorben ist.

Am 13. September hatte die zweite OSV-Mannschaft ihr Erfolgserlebnis. Sie konnte den Sportklub Bargteheide mit 6:3 Toren besiegen. Die kommenden Bezirksspiele werden in derselben Aufstellung ausgetragen: XY????? Witt - Hansen, Zuchold - Reher II, Mühlhaupt, Rieck - Wulf, XY?????7 Witt, Niebuhr, Krohn, Steche!.

Der 20. September war ein ganz schlechter Tag für den OSV, denn er mußte die deutliche Überlegenheit der Lübecker Polizei anerkennen. 6:1 gewann der vorjährige Tabellenzweite, der die Oldesloer durch genaues Zuspiel zermürbte, auf dem Exer.

Gegen den Lübecker SV erging es dem OSV eine Woche später nicht wesentlich besser. Die nächste Niederlage, diesmal mit 0:2 Toren, folgte, weil der Sturm sich als zu harmlos erwies und die zweifellos vorhandenen Torchancen nicht verwerten konnte.

Die Niederlagen-Serie konnte auch am 18. Oktober gegen den VfR Lübeck nicht gestoppt werden. Schon zwei Minuten nach Beginn rannte Kock unglücklich mit dem Torwächter der Lübecker zusammen und mußte ausscheiden. Mit zehn Mann war den hart spielenden Rasensportlern nicht beizukommen. Am Ende hatten die Lübecker mit 2:0 die Nase vorn.

Ohne die verletzten Peemöller und Schacht steht der OSV Ende Oktober in Rostock gegen 95 von vornherein auf verlorenem Posten. Die Oldesloer spielen zwar besser als in den letzten Spielen, doch können sie die Gastgeber nie gefährden. Zum 3:6-Endergebnis steuern Wolherr (2) und Schlüter die Tore bei.

Am 31. Oktober feierte der OSV in der „Harmonie“ sein 29. Stiftungsfest. Ein Theaterstück fand allgemein Anklang, die Musik stellte wieder die Kapelle Hopf und für gute Küche und Getränke sorgte in bekannter Weise Wirt Paul Tabbert.

Über 60 Mitglieder waren anwesend, als, der 1. Vorsitzende, Oberturnlehrer Ohrt, am 9. November in „Wiggers Gasthof“ die Mitgliederversammlung des OSV eröffnete. „Eine vom Magistrat eingegangene Rechnung über die Benutzung der Turnhalle erregte allgemeine Entrüstung. Solche Forderungen sind von keinem Verein tragbar, da doch zur Zeit jeder Verein froh ist, wenn er sich durchschlägt.“

Der OSV ist inzwischen auf den letzten Tabellenplatz zurückgefallen. Es wird also höchste Zeit, mit dem Punktesammeln zu beginnen.

Beim VfL Schwerin hagelte es am 15. November trotz guter Vorsätze die nächste Niederlage. Bis zur Halbzeit hielt der OSV noch ein 2:2; dann verließen ihn die Kräfte und die Gastgeber erhöhten auf 4:2.
„Die einzelnen Spieler der Liga sollten sich einmal darüber klar sein, was sie dem Ruf des OSV und auch dem unserer Stadt schuldig sind. Der OSV muß unbedingt vor den Abstiegsspielen bewahrt bleiben, denn es ist dann sehr fraglich, ob der OSV diese bestehen wird, denn Schwerin 03 nimmt auch daran teil und wird alles daransetzen, um wieder in die Oberliga zu kommen. Auch sind die Abstiegsspiele sehr kostspielig.“

Neben zehn Schlachtenbummlern, die die Fahrt zum Preis von drei Mark mitmachen konnten, war die Schülermannschaft mit nach Schwerin unterwegs, um gegen VfL erste Schüler anzutreten: Dubslaff - Schulze, Peters - Rath, Schweim, Witt - Gosch, Röhrs, Stäcker, Dührkop, Hengvoß.

Der OSV wird allgemein als Abstiegskandidat gehandelt. Am 26. November versammeln sich Liga und Reserve im „Restaurant zur Mühle“ (Peemöller) „Ein erfahrener Spieler hat sich bereiterklärt, das Training der Spieler zu übernehmen und wird kurzfristig bereits mit einer Aussprache beginnen. Es wäre nur zu wünschen, daß sich alle Spieler dem dann folgenden regelmäßigen Training unterwerfen. Dann ist es vielleicht noch möglich, den OSV vor dem drohenden Abstieg zu retten.“

Nach dieser Aussprache wird es noch nicht gleich besser. Immerhin schafft der OSV beim Lübecker SV wenigstens ein 2:2-Unentschieden.
Der hart gefrorene Boden beeinträchtigte das Spiel sehr. Ein flaches Paßspiel war kaum möglich, so stand die Begegnung technisch auf keiner hohen Stufe. Peemöller und Schlüter sorgten für einen 2:0-Vorsprung, der aber nicht gehalten werden konnte.

Torreich geht es am 17. Januar auf dem Exer gegen Rostock 95 zu. 4:4 heißt es am Ende, wieder haben die Oldesloer deutlich geführt, wieder wurde ein Sieg verschenkt, reichte es nur zu einer Punkteteilung. „Bis etwa 20 Minuten vor Schluß leistete der OSV ein großes Spiel. Dann war es aber auch ganz aus. Es ist doch geradezu unglaublich, wie sich der OSV nach einer 4:1-Führung den Sieg entreißen lassen kann.“ Diesen Spielern fehlt Training: Knuth - Schacht, Dwenger - Kock, Lindemeier, Prien - Lüthje, Wolherr, Grote, Schlüter, Peemöller - Ersatz: Witt.

Eine riesige Zuschauermenge, zu Hunderten waren die Anhänger des Phönix aus Lübeck herbeigeeilt, verfolgte den Großkampf des OSV gegen Altmeister LBV Phönix, Die Ausgangslage war klar: Die Lübecker mußten gewinnen, wollten sie nicht vorzeitig aus dem Meisterschaftsrennen ausscheiden. Die Oldesloer dagegen benötigten jeden Punkt zum Klassenerhalt.
Wolherr köpfte eine Ecke von Peemöller zum 1:0 ein. Die Freude dauerte aber nicht lange, denn dem LBV gelang kurz darauf nach einem Gewühl vor dem OSV-Tor der Ausgleich. Das 2:1 besorgte wiederum Wolherr. In der zweiten Halbzeit verspielte der OSV seine Führung. Ruppelt war die treibende Kraft des LBV-Sturms und urplötzlich stand es 4:2 für den Phönix. Peemöller konnte nur noch auf 3:4 verkürzen.

Hipp, Hipp, Hurra nach Vorschrift. „Die Spieler und der Schiedsrichter kommen nach dem Schlußpfiff in der Mitte des Spielfeldes zusammen und die Mannschaften bringen dann hier den Sportgruß aus. Empfehlenswert ist ferner, daß die Spielführer sich nach Ausbringung des Sportgrußes gegenseitig und von dem Schiedsrichter verabschieden.“

Die OSV-Maskerade, die am 30. Januar in der „Harmonie“ stattfand, war wieder ein voller Erfolg. „Das Auge konnte nicht genug von den herrlichen Masken fassen, die sich in den wunderbar dekorierten Sälen und sonstigen Schlupfwinkeln bewegten. Für glänzende Stimmung sorgte die vorzügliche Kapelle des Herrn Hopf und eine besondere Kapelle in den Nebenräumen.“

Am 7. Februar erkämpft der OSV gegen den VfR Lübeck seinen ersten Sieg und steht nun punktgleich mit Rasensport und Germania Wismar. Anfangs sah es nicht nach einem Erfolg der Oldesloer aus. Grote, Lüthje und Lindemeier sind beim 3:1 die gefeierten Torschützen.

Im „Deutschen Haus“ fand am 8. Februar die von 80 Mitgliedern besuchte Generalversammlung des OSV statt. Otto Schüthe und Hans Spies wurden für 25jährige Mitgliedschaft geehrt. Die Wahlen erbrachte die Wiederwahl des 2. Vorsitzenden Hans Fokuhl.

In seinem letzten Heimspiel ging es für den OSV gegen den direkten Konkurrenten Germania Wismar darum, die Oberliga zu erhalten. Zur Pause führten die Gäste mit 1:0.
„Nachdem die OSVer warmen Kaffee zu sich genommen hatten - zum ersten Male sahen wir das auf dem Exer - nahm das Spiel wieder seinen Anfang. Nach dem Verlauf der ersten Halbzeit zu urteilen, sahen die Aussichten für den OSV nicht rosig aus! Zum Glück fiel die berüchtigte erste schwache Viertelstunde aber aus! Die Mannschaft hatte in diesem Spiel im Gegenteil in der ersten Viertelstunde nach der Pause ihren Höhepunkt im Kamp-feswillen und in dieser gelang dann durch einen prächtigen Flankenschuß von Peemöller der Ausgleich.
Das Publikum war jetzt nicht mehr zu halten. Es wollte den Sieg des OSV! Unter ungeheuren Anfeuerungsrufen der etwa 800 Zuschauer gab die blau-weiße Mannschaft ihr Äußerstes her. Als dann bei einem von den vielen Eckbällen ein Wismaraner mit beiden Händen „Hand“ machte, diktierte der Schiedsrichter: „Elfmeter!“ Totenstille unter den Zuschauern! Wieviele Daumen mögen „gedrückt“ worden sein!? Peemöller fiel die verantwortungsvolle Aufgabe zu! Er legte sich den Ball zurecht, ein kurzer Anlauf - ein hundertfacher Aufschrei! Der Ball zappelte im Netz! 2:1 für Oldesloe! Das war der Sieg, auf den alle gehofft hatten! Ein leichtes Aufflackern der Mecklenburger wurde von der Verteidigung der Oldesloer bald erstickt und der Rest des Spiels gehörte den Blau-Weißen.
Schließlich konnte dann Wolherr bei einer Flanke von Rechtsaußen zwölf Minuten vor Schluß den Ball über die Linie bringen, nachdem ein Bombenschuß gehalten worden war! 3:1 für den OSV! Die letzten zehn Minuten sahen verteiltes Spiel und unter dem Jubel der Zuschauer pfiff Schiedsrichter Oppermann das Spiel ab, das für den OSV mit einem schwer, aber nicht unverdient errungenen Siege endete. Der OSV ist durch diesen Sieg nun endgültig von der Abstiegsgefahr befreit.
Mit frohen Gesichtern zogen die vom Schlamm vollgespritzten OSVer unter Begleitung der Zuschauer, denen man auch die helle Freude über den Sieg aus den Augen leuchten sah, durch die Stadt „zu Muttern“, wo schnell nach einer gründlichen Reinigung des Körpers der Sonntagsanzug angezogen wurde. Und dann ging es ins „Deutsche Haus“, dem Klublokal des OSV, wo sich alle trafen und noch lange über diesen ereignisreichen Tag sprachen.“

Auf dem hart gefrorenen Kasernenhof an der Fackenburger Allee kommt es am 28. Februar zum Aufeinandertreffen mit der Polizei Lübeck. ‚allgemein erwartete man eine 10:0- bis 13:0-Niederlage des OSV. Diese Fanatiker wurden aber eines Besseren belehrt und waren froh, als die Polizei mit einem blauen Auge davonkam.“ Durch den knappen 1:0-Sieg, den Treffer markierte Buthmann, holte sich die Polizei erstmalig die Meisterschaft des Bezirks Lübeck-Mecklenburg.

Obwohl die Besucherzahlen sehr zu wünschen übrig lassen, beschließt der OSV die Saison mit einem reichhaltigen Programm interessanter Gesellschaftsspiele.

 

 

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