Dienstag, 8. Mai 1945 Der Krieg ist vorüber! Bedingungslose Ergebung aller deutschen Streitkräfte. Die Völker aller Nationen feierten den alliierten Sieg, den König Georg von England einen vollständigen und überwältigenden Sieg genannt hat. Deutschland hat vor Großbritannien, den Vereinigten Staaten und Rußland bedingungslos kapituliert. Die bedingungslose Kapitulation Deutschlands wurde in der Nacht vom Sonntag zum Montag um 2.41 Uhr in Reims in einem kleinen roten Schulhause unterzeichnet, in dem sich General Eisenhowers Hauptquartier befand. Generaloberst Alfred Jodl und Generaladmiral Hans-Georg von Friedeburg unterschrieben für das Deutsche Reich und Generaloberst Jodl sagte: „Mit dieser unserer Unterschrift sind das deutsche Volk und die deutsche Wehrmacht auf Gnade und Ungnade den Siegermächten in die Hand gegeben.“ Entsprechend den Vereinbarungen zwischen den drei Großmächten gab der britische Premierminister Winston Churchill gestern nachmittag um 3 Uhr über den Rundfunk eine offizielle Erklärung ab. Englands König sprach um 9 Uhr zu den Völkern des britischen Weltreiches und der britischen Völkerfamilie. - Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sprach zur gleichen Zeit wie Premierminister Churchill, und die Oberhäupter vieler Nationen richteten sich zu dieser weltgeschichtlichen Stunde an ihre Völker. HNB

 

Donnerstag, 10. Mai 1945 Waffenruhe in Europa. König Georg VI. sprach am Dienstagabend zu den Völkern des Empires. Er sagte in seiner Ansprache unter anderem: „Ich spreche zu Euch aus London, das die Narben des Krieges trägt, und bitte Euch, sich mit mir im Dankgebet zu vereinigen. Deutschland, das ganz Europa in den Krieg stürzte, ist niedergeschlagen. Im Fernen Osten müssen wir den Kampf gegen Japan noch durchführen. Das wird mit äußerster Entschlossenheit und mit aller uns zur Verfügung stehender Kraft geschehen.

Aber in dieser Stunde, da die düsteren Schatten des Krieges von den Heimstätten unserer Bevölkerung genommen sind, können wir einen Augenblick rasten, um uns vor Gott zu neigen. Aber dann müssen wir an die Aufgaben denken, die noch vor uns liegen. Unser Dank gebührt in diesem Augenblick vor allem jenen, die nicht mehr zu uns zurückkehren. Wir müssen auch all denen danken, die in der Heimat im Dienste des Vaterlandes standen. In stolzer Dankbarkeit gedenken wir unserer Armee, die den Sieg für uns errungen hat. Laßt uns in dieser Stunde des Sieges darüber nachdenken, daß wir in fast sechs Jahren des Leides dem größten Widerstand standgehalten haben. Wenn wir uns fragen, was uns die Kraft dazu gab, dann war es das Bewußtsein, daß es nicht allein um uns ging, um unsere Freiheit, um unsere Unabhängigkeit, ja um unseren Fortbestand als Nation, sondern daß wir die Freiheit der ganzen Welt verteidigten, daß unser Sieg der Sieg jener Welt ist, die die Idee der Freiheit und die Sache der Gerechtigkeit anerkennt.

Auf uns richteten sich die Hoffnungen all jener europäischen Völker, die ihrer Freiheit beraubt wurden. Ihre Hoffnung war unsere Hoffnung, ihr Vertrauen stärkte unseren Glauben. Wir wußten, sollten wir wanken und schwach werden, dann würde das letzte Bollwerk gegen eine weltweite Tyrannei zusammenbrechen. Aber wir wankten und wir wichen nicht. Laßt uns unseren Blick jetzt den vor uns liegenden Aufgaben zuwenden und sie mit dem gleichen Vertrauen in Angriff nehmen. Schwere Arbeit erwartet uns, Arbeit bei der Wiedergutmachung der Wunden, die uns geschlagen sind, bei der Wiedererrichtung von Frieden und Gerechtigkeit in einer Welt, die in ihren Grundfesten erschüttert ist.

Ein tiefer Trost liegt in dem Gedanken, daß die dunklen Jahre der Gefahr, in denen unsere Kinder aufwachsen mußten, für immer zu Ende sind. Dafür, sei Gott unser Dank! Wir würden unsere Aufgabe nicht erfüllt haben und das Blut unserer Lieben würde umsonst geflossen sein, wenn der Sieg nicht zu einem dauernden Frieden führen würde, einem Frieden der Achtung und Gerechtigkeit. Auf diesen Frieden soll sich unser Blick richten an diesem Tage eines berechtigten Triumphes und stolzer Trauer. Wenn wir jetzt alle wieder an die Arbeit gehen, dann soll es in dem Entschluß sein, eine Welt zu schaffen, die wir ersehnt haben für unsere Kinder und für uns.“ LNB

 

Donnerstag, 10. Mai 1945 Täglich Plakatsäulen beachten! Die Militärregierung hat eine Anzahl wichtiger Bekanntmachungen und Gesetze erlassen, die an den Plakatsäulen angeschlagen sind. Es ist dringend erforderlich, daß die Bevölkerung diese Anschläge in vollem Wortlaut zur Kenntnis nimmt und auch weiterhin die Plakatsäulen auf neue Anordnungen hin täglich beobachtet. Aus den bisherigen Bekanntmachungen ergeben sich neue Verhaltensmaßregeln.

Auflösung der NSDAP. Durch Gesetz der Militärregierung ist die NSDAP mit sämtlichen ihr angeschlossenen Organisationen aufgelöst worden. - Ausweiskarte. Jedermann hat ständig seine behördliche Personalausweiskarte bei sich zu tragen und sie auf Verlangen vorzuzeigen.

Alle durch Aushang bekanntgegebenen Gesetze und Anordnungen müssen sorgfältig befolgt werden. Verstöße werden gerichtlich verfolgt und geahndet, wobei in bestimmten Fällen Bestrafungen bis zur Todesstrafe vorgesehen sind. Deshalb: täglich die Plakatsäulen beachten! LNB

 

Dienstag, 15. Mai 1945 Ein Appell der Militärregierung. Auf die dringende Notwendigkeit der weiteren Entwicklung der Landwirtschaft im Lübecker Raum und dessen Umgebung wird von der Alliierten Militärregierung jetzt mit besonderem Nachdruck hingewiesen. Obgleich die gegenwärtige Ernährungslage mindestens für die nächsten Wochen nicht ungünstig erscheint, würde, so äußert sich ein Vertreter der Militärregierung, eine empfindliche Knappheit im kommenden Winter eintreten, wenn während der nächsten Monate nicht das Äußerste aus allen Ländereien herausgeholt wird. Die Militärbehörden fordern deshalb die Bauern und Landarbeiter auf, sich mit aller Kraft einzusetzen. Es wird auch darauf hingewiesen, daß ein freiwilliger Einsatz zur Verstärkung der auf dem Lande Schaffenden dringend erforderlich ist. Besonders wichtig ist die äußerste Sparsamkeit mit Treibstoffen. Auch die Kohlenvorräte sind knapp und jede nur mögliche Sparmaßnahme muß angewendet werden. Die Entwicklung auf dem Gebiete der Stromversorgung wird dagegen von der Militärregierung als günstig betrachtet. Treibstoff für den Transportverkehr ist aber ebenfalls nur begrenzt vorhanden. Alle verfügbaren Ziviltransportmittel werden für besonders wichtige Zwecke benötigt, was zu einer starken Anspannung des Treibstoffverbrauchs geführt hat. Große Mengen von Kleidung werden an die Tausende von Fremdarbeitern im Lübecker Raum verteilt. Besonders mangelt es in dieser Hinsicht den russischen Arbeitern. An diese ist bisher bereits eine große Anzahl von Kleidungsstücken ausgegeben worden. LNB

 

Dienstag, 15. Mai 1945 Ausgehverbot. Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß von 21.00 bis 6.00 Uhr Ausgehverbot besteht. Jedermann, der sich ohne besonderen Ausweis innerhalb dieser Zeit auf der Straße aufhält, wird festgenommen. Alle Einwohner der Hansestadt Lübeck dürfen sich nur bis zu fünf Kilometer über das Stadtgebiet hinaus begeben. LNB

 

Mittwoch, 16. Mai 1945 Die heutige Lage in Lübeck. Nach zwei Wochen Besetzung. Eine Übersicht, die ein Sprecher der alliierten Militärregierung heute gegeben hat, stellt erfreuliche Fortschritte in der Verwaltung und Wiederherstellung geordneter Verhältnisse in Lübeck fest, nachdem nun zwei Wochen seit dem alliierten Einmarsch vergangen sind. Die verschiedenen Zweige der Zivilverwaltung funktionieren wie sonst, und verschiedene öffentliche Dienststellen sind in Betrieb. Die Aufräumung der bombenbetroffenen Stadtteile ist wieder aufgenommen worden und in gutem Fortschreiten. Arbeitstrupps, verstärkt durch deutsche Kriegsgefangene, sind für diese Arbeit eingesetzt.

Der amtliche Sprecher betonte, daß auch der Fernsprechverkehr Zug um Zug wieder in Betrieb gesetzt wird. Eine Zeitung der Militärregierung trägt täglich die neuesten Nachrichten aus aller Welt und auch die amtlichen Bekanntmachungen der Behörden in jedes Haus. Die Bankinstitute sind ebenfalls offen für den Geschäftsverkehr, und die Anlagen des Lübecker Hafens werden jetzt für die Inbetriebnahme instandgesetzt. Auch die Transportschwierigkeiten werden allmählich überwunden. Alle deutschen Transportmittel sind von der Militärregierung übernommen worden und werden jetzt zum Einsatz für lebenswichtige Zwecke fahrbereit gemacht. Wie der amtliche Sprecher noch hinzufügte, hat bereits eine Arbeitslenkungsstelle ihre Tätigkeit für den Einsatz deutscher Arbeiter aufgenommen.

Die deutsche Zivilpolizei erfüllt ihre Pflicht und hat einen Teil der zunächst von der alliierten Militärpolizei wahrgenommenen Aufgaben wieder übernommen. Die Lage hinsichtlich der allgemeinen Gesundheitsverhältnisse in Lübeck wurde vom Vertreter der Militärregierung im großen und ganzen als günstig bezeichnet. LNB

 

Freitag, 18. Mai 1945 Neue Erziehung der Jugend. Vom alliierten Hauptquartier wurde bekanntgegeben: In der Frage der Erziehung der deutschen Jugend sind die ersten Schritte unternommen worden. In Aachen hat der Unterricht in den vier untersten Klassen der Volksschulen begonnen, auch in allen übrigen Volksschulen soll der Unterricht beginnen. Sieben von den Alliierten herausgegebene Schulbücher sind im Gebrauch. Der Unterricht in den oberen vier Volksschulklassen wird aufgenommen, sobald die Schulbücher verfügbar sind. Der Gebrauch von nationalsozialistischen Schulbüchern ist verboten, dagegen können einige Schulbücher von vor 1933 benutzt werden, wenn sie keine militärische Tendenz haben. Die höheren Schulen werden nicht vor dem Herbst geöffnet. LNB

 

Samstag, 19. Mai 1945 Ab heute ist das Reiseverbot für Zivilisten zu Fuß und per Rad innerhalb des Bezirkes von Schleswig-Holstein aufgehoben, welcher unter Kontrolle des 8. Corps Military Government liegt. Besondere Pässe sind notwendig, a) den Kaiser-Wilhelm-Kanal zu überqueren in jeder Richtung, b) Erlaubnis, die Grenze des 8. Corps zu überschreiten. Das Verbot, die dänische Grenze zu überschreiten, bleibt bestehen. LNB

 

Dienstag, 22. Mai 1945 Lockerung des Reiseverkehrs. Die im Stadtkreis Lübeck sich aufhaltende deutsche und ausländische Bevölkerung darf von Lübeck aus folgende Gebiete ungehindert, auch mit Fahrrad, aufsuchen: Das Gebiet des südlichen Schleswig-Holsteins, begrenzt durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal, mit Ausnahme der Landkreise Steinburg, Pinneberg und Teile des Landkreises Rendsburg. In den nördlichen Teilen Schleswig-Holsteins - nördlich des Kaiser-Wilhelms-Kanals - kann nur mit einem Paß, der für die Überschreitung des Kaiser-Wilhelm-Kanals notwendig ist, gereist werden und auch dort nicht in die Kreise Eiderstedt, Süder- und Norderdithmarschen. Die Ausgehverbote (curfew), die örtlich erlassen sind, werden durch die Aufhebung der 5-Kilometer-Sperrgrenze und so weiter nicht berührt. LNB

 

Samstag, 26. Mai 1945 Ausgehverbot beachten! Der Oberbürgermeister der Hansestadt Lübeck gibt bekannt: Die Alliierte Militärregierung hat darauf hingewiesen, daß die Bestimmungen über das Ausgehverbot genauestens zu beachten sind. Sie hat darauf hingewiesen, daß ohne Ausnahme alle Personen, die ohne Berechtigung während des Ausgehverbotes auf der Straße angetroffen würden, verhaftet werden. Außer der Verhaftung werde ein Bestrafung erfolgen. Es ergeht an die Lübecker Bevölkerung nochmals die strikteste Anweisung, im eigensten Interesse die in Ansehung des Ausgehverbots erlassenen Vorschriften genauestens innezuhalten. LNB

 

Dienstag, 29. Mai 1945 Das Ausgehverbot. Eine Verlautbarung der Militärregierung Lübeck warnt die Bevölkerung vor einer Verletzung der Ausgehbeschränkungen. Es sind Fälle berichtet worden, in denen solche Überschreitungen des Gesetzes vorkamen. Ein Sprecher der Militärregierung erklärte: „Wir werden dies nicht zulassen. Personen, welche sich schuldig machen, werden streng bestraft werden.“ Das Ausgehverbot ist von 9 bis 5 Uhr. LNB

 

Donnerstag, 31. Mai 1945 Proklamation Montgomerys. Persönliche Botschaft des britischen Oberbefehlshabers. An die Bevölkerung des britischen Besatzungsgebietes in Deutschland.

  1. Ich bin von der britischen Regierung mit der Befehlsgewalt und Kontrolle des britischen Besatzungsgebietes in Deutschland betraut worden. In diesem Gebiet waltet zunächst eine Militärregierung unter meinem Befehl.
  2. Mein unmittelbares Ziel ist es, für alle ein einfaches und geregeltes Leben zu schaffen. In erster Linie ist dafür zu sorgen, daß die Bevölkerung folgendes hat: a) Nahrung, b) Obdach, c) Freisein von Krankheiten. Die Ernte muß eingebracht werden. Das Verkehrswesen muß neu aufgebaut werden. Das Postwesen muß in Gang gebracht werden. Gewisse Industrien müssen wieder die Arbeit aufnehmen. Dieses wird für Jedermann viel schwere Arbeit bedeuten.
  3. Diejenigen, die nach internationalem Recht Kriegsverbrechen begangen haben, werden gesetzmäßig abgeurteilt und bestraft werden. Das deutsche Volk wird unter meinen Befehlen arbeiten, um das, was zum Leben der Volksgemeinschaft notwendig ist, zu schaffen und um das wirtschaftliche Leben des Landes wieder aufzubauen.
  4. In dem britischen Besatzungsgebiet sind viele deutsche Soldaten, Flieger und Matrosen. Sie werden zur Zeit in besonderen Gebieten versammelt. Die deutsche Wehrmacht sowie alle anderen bewaffneten Verbände werden entwaffnet und aufgelöst. Alle deutschen Soldaten, Flieger und Matrosen werden nach ihren Handwerken und Berufen gemustert. In wenigen Tagen wird damit angefangen werden, sie von der Wehrmacht zu verabschieden, damit sie mit der Arbeit beginnen können. Vorrecht in der Dringlichkeit hat die Ernte; darum werden Landarbeiter zuerst entlassen. Die Entlassung von Männern in anderen Handwerken und Berufen erfolgt, sobald es praktisch möglich ist.
  5. Ich werde dafür sorgen, daß alle deutschen Soldaten und Zivilisten mittels Rundfunk und Presse über den Fortgang der Arbeit auf dem Laufenden gehalten werden. Der Bevölkerung wird aufgetragen, was zu tun ist. Ich erwarte, daß sie es bereitwillig und wirksam tut. Bernhard L. Montgomery, Feldmarschall, Oberbefehlshaber des britischen Besatzungsgebietes. LNB
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