Saison 1963/64
Die Meisterschaft
Nach dem achten Platz des Vorjahres ist Trainer Artur Jantz vorsichtig mit Prognosen, die allzu hohe Erwartungen wecken.
Den fünften Platz gibt er als Zielsetzung für die Spielzeit aus, wohlwissend, dass die beiden einzigen Neuzugänge, Gert Girschkowski (Torwart) und Horst Bieschke, beide aus der eigenen Jungmannen, noch nicht über die nötige Erfahrung verfügen, der Mannschaft auf Anhieb weiterzuhelfen.
14 Tage, bevor die neu geschaffene Bundesliga mit 16 Mannschaften an den Start geht, beginnt für den VfL Oldesloe die Spielzeit in der 1. Amateurliga.
Die Stimmung von Ligaobmann Gustav Lüthje trübt sich deutlich, als man sich aus Holtenau auf den Heimweg macht, denn mit 0:1 ist der Saisonstart gründlich misslungen.
Doch die Mannschaft findet sich und gewinnt die beiden nächsten Spiele gegen die Traditionsklubs Heider SV (2:1) und Flensburg 08 (3:0).
Am 1. September sehen die Oldesloer Zuschauer dann ein übertrieben hartes Spiel gegen die Rivalen aus Segeberg, das mit 2:2 und einem Feldverweis für Jürgen „Tille“ Peters endet.
Auch ohne Stammspieler Peters siegt der VfL gegen den VfB Kiel und rutscht damit bereits auf Platz fünf der Tabelle. Es folgen zwei weitere Siege, ehe man am 22. Oktober in Büdelsdorf vor 1.000 Zuschauern beim 2:2 den ersten Punkt seit vier Spielen abgibt.
Artur Jantz ist denn auch zufrieden, insbesondere weil Torjäger Gerd „Gummi“ Heitmann immer besser in Form kommt und so das Spiel gegen Phönix Lübeck am 3. November durch seine beiden Tore fast allein entscheidet.
Doch aus den nächsten vier Spielen kann die Ligaelf nur zwei Punkte mitnehmen, zu wenig um Herbstmeister Kilia Kiel zu gefährden.
Trotzdem reicht es am Ende der Hinrunde durch zwei Siege gegen Itzehoe (3:0) und Comet Kiel (3:1), sowie ein vorgezogenes Rückrundenspiel gegen TuS Lübeck (2:1) zum zweiten Platz.
Das Jahr 1964 beginnt mit einer Erfolgsserie von fünf, wenn auch jeweils knappen, Siegen.
Am 26. Januar ist es zum Beispiel Wolf-Dieter „Pico“ Bliebenich, der den 1:0-Siegtreffer gegen Frisia Husum markiert.
Am 2. Februar hält sich der VfL Verfolger Büdelsdorf, zu diesem Zeitpunkt Dritter, mit einem 2:0-Sieg vor 1.100 Zuschauern vom Leib.
Am 9. Februar sind die Brüder Dau für den 2:0-Sieg in Heide verantwortlich, in dem Manfred die Tore schießt und Uwe jede Möglichkeit der Gegner zunichtemacht. Am 16. Februar jedoch reißt die Serie von acht Siegen in Folge mit dem 0:1 gegen Schleswig 06.
Können die Blau-Weißen Kilia Kiel noch den Rang ablaufen? Die Elf von der Trave lässt es darauf ankommen und stürmt, was das Zeug hält.
Das Ergebnis sind drei Siege gegen VfB Kiel (4:0), Lägerdorf (4:0) und Gut Heil Neumünster (6:0), bei denen die Gegner förmlich von der Oldesloer Torfabrik überrannt werden.
Ein Punkt fehlt noch auf die Kilianer. Da trifft es sich gut, dass der VfL am 15. März durch ein Heitmann-Tor gegen Holtenau gewinnt, während die Kieler unentschieden spielen.
Mit 42:10 Punkten steht der VfL plötzlich auf dem psychologisch wichtigen ersten Platz, obwohl die Kieler mit 40:8 Punkten eigentlich die bessere Ausgangsposition haben.
Am 5. April ist es dann soweit. 2.300 Zuschauer drängen sich bei Schneetreiben ins Travestadion um die Vorentscheidung um die Meisterschaft hautnah mitzuerleben. Und sie sehen einen bärenstarken VfL. Insbesondere die Liedtke-Brüder und Uwe Dau spielen wie aus einem Guss. Trotzdem beginnt das Spiel unbefriedigend. Ein Eigentor von „Tille“ Peters bringt Kilia eine Minute nach Wiederanpfiff mit 1:0 in Führung. In der 52. Minute können die Kieler dann alles klar machen, doch der Fernschuss trifft nur die Latte des VfL-Gehäuses.
Erst in der 75. Minute gelingt Manfred Dau der Ausgleich. Die Zuschauer sind bereits mit der Punkteteilung zufrieden, als Alfred „Ala“ Liedtke in der 85. Minute zum 2:1 trifft. Und Herbert Meins setzt in der 90. mit seinem Treffer zum 3:1-Endstand noch einen drauf.
Das Spiel ist aus, die 1. Amateurliga hat einen echten neuen Tabellenführer, den VfL Oldesloe, punktgleich, aber mit dem besseren Torverhältnis. Und das drei Spiele vor dem Saisonende.
Am 12. April muss die Trave-Elf zum Angstgegner Phönix. Und trotz guten Spiels des VfL bleibt das Spiel torlos, doch Kilia verliert sein Spiel, so dass der VfL vorne bleibt.
Zum letzten Heimspiel der Serie empfängt die Liga am 19. April Flensburg 08. Einmal mehr spielt „Gummi“ Heitmann wie entfesselt und schlägt beim 4:0-Sieg gleich dreimal zu.
Kilia Kiel bringt es mittlerweile auf 45:13 Punkte, während die Liga 47:11 Punkte auf dem Konto hat. Ein Unentschieden im letzten Spiel bei Holstein Segeberg würde also für die erste Landesmeisterschaft des Traditionsvereins reichen. Doch ausgerechnet Holstein Segeberg heißt der Gegner im Finale. Die Mannschaft, die im Hinspiel durch rüde Spielweise und provokatives Verhalten glänzte und so für den Platzverweis von Verteidiger Peters sorgte.
Aber gemeinsam mit 3.000 Zuschauern, von denen gut die Hälfte aus Bad Oldesloe mitreisen, geht die Elf von Artur Jantz zuversichtlich in das Spiel.
Wie versteinert steht sie dann auch da, als der Schiedsrichter nach 90 Minuten abpfeift und nicht der VfL, sondern die Segeberger die Arme, erfreut über den 2:0-Sieg, jubelnd schwenken.
Die Niederlage war aber zu verschmerzen, verlor Kilia Kiel doch schon einen Tag zuvor sein Heimspiel gegen den TSV Büdelsdorf mit 2:3. Damit war die Meisterschaft zu Gunsten der Oldesloer entschieden und das Spiel in Segeberg ohne Bedeutung.
So entscheiden schließlich zwei Niederlagen der Tabellenführer die Schleswig-Holsteinische Meisterschaft und der VfL Oldesloe trägt sich erstmals auf dem Siegerschild ein.
Kaum fassbar ist die Kunde und grenzenlos der Jubel in den Straßen der Kreisstadt, als die glorreichen Sieger von 5.000 beglückten Oldesloer Bürgern, die in der Stadt Spalier stehen, empfangen werden.
In einem Autokorso, voran der noch junge Spielmannszug, lässt die Elf sich feiern und jeder, der blau-weiße Stoffe im Hause hat, hängt sie zum Zeichen der Sympathie aus seinem Fenster, um so der Freude über diesen unerwarteten Erfolg Ausdruck zu verleihen.
Am 30. April, vier Tage nach Erringen der Meisterschaft, lädt Bürgermeister Hermann Barth die Mannschaft mit Gefolge ins Rathaus ein und empfängt sie mit einem Festakt.
Doch nur kurz währen die Feierlichkeiten, denn nun beginnt die Aufstiegsrunde zur Regionalliga, der zweithöchsten Spielklasse Deutschlands, die sich im Norddeutschen Fußballverband aus den Ländern Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zusammensetzt.
Und die Meister und Vizemeister dieser vier Amateurligen spielen dann auch, wie in jedem Jahr, die Aufsteiger in zwei Staffeln aus.
Am 7. Mai empfängt der VfL Oldesloe den Hamburger Meister Rasensport Harburg zum ersten Spiel. Vor 4.000 Zuschauern spielt die Jantz-Elf begeisternden Fußball und siegt verdient mit 4:0.
Die Hoffnung auf den Aufstieg steigt, doch im Auswärtsspiel bei Leu Braunschweig muss sich die Liga mit 1:5 geschlagen geben.
Trotzdem ist noch nichts verloren und so erscheinen nicht nur 3.800 Zuschauer, als der SV Meppen am 18. Mai an die Trave reist, sondern auch die Sportschau, um Aufnahmen für die abendliche Sendung zu machen.
3:0 gewinnt der VfL in überzeugender Manier und durch das gleichzeitige 0:4 der Braunschweiger gegen Harburg ist alles wieder offen.
Ohne „Gummi“ Heitmann, der sich auf einer Studienreise befindet, geht es eine Woche später zum Rückspiel nach Meppen. Doch zu sturmschwach zeigt sich die Elf von Artur Jantz und kommt über ein 0:0 nicht hinaus. Nun wird es eng im Rennen um den Aufstieg, da die Harburger erneut gewannen. Im direkten Vergleich zählt also nur ein Sieg.
Aber am 30. Mai läuft nicht viel zusammen und die heimstarke Rasensport-Elf macht mit dem 3:1-Sieg über den VfL schon fast alles klar.
Auch das 3:0 im Rückspiel gegen Leu Braunschweig reicht den Blau-Weißen nicht mehr, da die Elbestädter sich keine Blöße mehr geben.
Mit 7:5 Punkten aus der Aufstiegsrunde gibt es jedoch für die Ligamannschaft keinen Grund, unzufrieden zu sein. Zwar hat es nicht ganz gereicht, doch an dieses Jahr wird man in Oldesloe noch lange denken.
Dass an Trave und Beste wirklich noch Amateure im besten Sinne des Wortes agieren, beweist die 1. Herrenmannschaft dann auch unmittelbar nach Ende der Aufstiegsrunde.
Zu einem Arbeitseinsatz im Stadion findet sich nämlich die gesamte Mannschaft ein und tauscht für einen Tag die Schußstiefel gegen Pinsel, Hammer und Schaufel. Vorbilder in jeder Hinsicht.
Was passiert noch in diesem aufregenden Jahr?
Die 2. Herrenmannschaft hat sich für die Spielzeit unter Trainer Waldemar Driever den Aufstieg in die Bezirksliga zum Ziel gesetzt. Als Vizemeister der Kreisliga ist sie dann am Ende der Saison auch für die Aufstiegsspiele qualifiziert.
Doch die Gegner sind in diesem Jahr noch eine Nummer zu stark für die Ligareserve, die allerdings teilweise unglücklich unterliegt. Nach einem 1:2 gegen Riepsdorf, gewinnt sie ihr einziges Spiel beim 3:1 gegen Vorwerk Lübeck. Die weiteren drei Spiele der Aufstiegsrunde gehen mit 1:2 (Union Ulzburg), 1:2 (Haffkrug) und 1:3 (Büchen) verloren, so dass am Ende der Verbleib in der Kreisliga feststeht. Ebenso fest steht aber auch der Entschluss, im nächsten Jahr einen neuen Anlauf zu nehmen.
Die 3. Herrenmannschaft spielt in der A-Klasse und belegt dort mit 68:54 Toren und 33:23 Punkten einen guten fünften Platz. Auch sie will im kommenden Jahr noch eins drauflegen.
Die 4. Herren enttäuscht ebenfalls nicht. Mit 70:70 Toren und 24:28 Punkten wird sie Siebter der B-Klasse und rundet damit den Unterbau der Liga ab.
Die Alten Herren spielen erstmals in der relativ neuen Holstenpokal-Punktrunde, haben aber mit der Vergabe der Meisterschaft nichts zu tun.
Acht Jugendmannschaften spielen in diesem Jahr für den VfL um Meisterehren. Klassenhöchste ist dabei die 1. Jungmannen, die sich für die neugeschaffene Bezirksliga qualifiziert hatte und in dieser einen guten Mittelfeldplatz belegt.
Die erfolgreichste aller Mannschaften des Nachwuchses ist in diesem Jahr jedoch die 1. Knaben, die sich souverän den Kreismeistertitel sichert.
Auch eine Reisemannschaft wird, anknüpfend an alte Traditionen, wieder gegründet. Ihr erstes Spiel endet 2:2 gegen Hanseat Hamburg. Die Mannschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, durch freundschaftliche Begegnungen Werbung für den VfL zu machen und neue Freunde zu gewinnen.
Am 23. Januar findet in „Wiggers Gasthof“ die Spartenversammlung der Fußballer statt. Die Spartenleitung bleibt im wesentlichen unverändert.
Nur für Jugendleiter Günter Rust, der diese Position aus beruflichen Gründen aufgibt, rückt Egon Lindemeier mit in die Führungsriege um Rudi Herzog und Stellvertreter Gerhard Rath.
365 Mitglieder hat die Abteilung und ist eigentlich gesund, doch am Ende der Spielzeit steht trotz erreichter Meisterschaft die bittere Erkenntnis, dass die neu geschaffene Bundesliga und die damit verbundenen wöchentlichen Übertragungen im Fernsehfunk wohl doch Einfluss auf die Zuschauergewohnheiten genommen haben.
Denn von 20.960 Zuschauern im Jahr 1959/60 sank die Zahl der „Zahlenden“ im Travestadion bis auf 15.711 in diesem Jahr. Wie mag es da erst aussehen, wenn der VfL einmal nicht um die Meisterschaft spielt?
Mit Uwe Dau und Karl-August-Wilkens hat der VfL Oldesloe zwei „Repräsentanten“ in der Schleswig-Holsteinischen Landesauswahl, als diese am 29. September gegen die Auswahl vom Mittelrhein antritt. 2:2 lautet das gerechte Endergebnis.
Erstmals wird in diesem Jahr ein Fair-Play-Pokal in Schleswig-Holstein ausgespielt. In jedem Jahr sollen die Mannschaften fortan um die sportliche Ritterlichkeit ringen. Der Verband erhofft sich hierdurch einen erheblichen Rückgang verbaler Attacken gegen Schiedsrichter und weniger harte Begegnungen, da wohl kaum ein Klub sich die Blöße geben will, am Ende als der unfairste am Pranger zu stehen.